Rassistischer Brandanschlag Hafenstraße 1996 in Lübeck

3. Januar 2022

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Vor 26 Jahren wurden bei einem rassistischen Brandanschlag auf die Geflüchtetenunterkunft in der Lübecker Hafenstraße zehn Menschen ermordet, 38 weitere wurden – zum Teil schwer – verletzt. Sehr viele Indizien deuten auf einen rassistischen Hintergrund der Tat, sogar auf konkrete Täter aus der Neonaziszene hin. Dennoch wurden bis auf den heutigen Tag weder Täter zur Verantwortung gezogen noch der Ermittlungsskandal aufgeklärt.
Die Ereignisse der Nacht vom 18. Januar 1996 sind Teil unserer Geschichte.  Eine Geschichte des Verlustes geliebter Menschen, von Verletzungen, von Angst, Traumatisierung, der Betroffenheit, des Nicht-Glaubenkönnens und des Widersprechens. Eine Geschichte des Gedenkens und des Anklagens.
Und so klagen wir auch in diesem Jahr an, dass die Täter bis heute nicht zur Rechenschaft gezogen wurden. Unsere Forderung nach der Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses, um die Tat und die Ereignisse der Nacht des 18. Januars 1996 neu aufzuarbeiten, zu bewerten und in die Untersuchungen ein rassistisches Tatmotiv einzubeziehen, bleibt weiterhin laut.
In Zeiten der globalen Krisen, wird es umso wichtiger solidarisch und gemeinsam füreinander einzustehen die bereits Ablehnung und Gewalt erfahren haben.
Daher lassen wir es uns auch anlässlich des 26. Jahrestages nicht nehmen, gemeinsam mit den Betroffenen den Ermordeten zu Gedenken. Lasst uns auch, unter den schwierigen Umständen eine solidarische Form finden, in der wir gemeinsam Gedenken & Anklagen.
In diesem Jahr möchten wir gemeinsam mit euch demonstrieren wir treffen uns am 15. Januar um 14 Uhr auf dem Rathausmarkt. Das Gedenken findet am 18. Januar um 18h am Gedenkort statt.
Zudem planen wir weitere Formate, die jedoch aufgrund der pandemischen Lage erst im Laufe des Jahres stattfinden sollen, um auf den Brandanschlag und unserer Forderung nach Aufklärung aufmerksam machen sollen.
Lasst uns gemeinsam ein Zeichen setzen und werdet mit uns aktiv. Nehmt Teil an den Veranstaltungen, unterschreibt die Petition, verteilt unser Infomaterial oder setzt eigene Aktionen in die Tat um.

Wir erinnern:

An die 48 Menschen aus dem Haus in der Hafenstraße 52. Keiner der Menschen lebte freiwillig in diesem Haus.

Wir gedenken:


Françoise Makodila Landu, 29 Jahre
Christine Makodila, 17 Jahre
Miya Makodila, 14 Jahre
Christelle Makodila Nsimba, 8 Jahre
Legrand Makodila Mbongo, 5 Jahre
Jean-Daniel Makodil Kosia, 3 Jahre
Monique Maiamba Bunga, 27 Jahre
Nsuzana Bunga, 7 Jahre
Sylvio Bruno Comlan Amoussou, 27 Jahre
Rabia El Omari, 17 Jahre

Wir klagen an:

• dass die Staatsanwaltschaft Lübeck ein rassistisches Tatmotiv nicht weiterverfolgt hat, obwohl es Geständnisse von Neonazis gab.
• dass es bis heute keinen parlamentarischen Untersuchungsausschuss gibt, der sowohl die Verstrickung der Behörden als auch die Tat selbst untersucht
• dass der Brand nicht offiziell als rassistischer Brandanschlag deklariert ist und eine Anerkennung, als schwerwiegendster Brandanschlag in Deutschland aussteht
• dass die Hansestadt Lübeck bis heute keine Erinnerungskultur für Opfer und Betroffene rechter Gewalt etabliert hat – Finanzierung, Anerkennung und rege Beteiligung weiterhin ausstehen
• dass rechte Gewalt nicht als gesamtgesellschaftliche Herausforderung angesehen und bekämpft wird

Initiative Hafenstraße ´96 – Gedenken & Anklagen


Redebeitrag von Gülcan Kara auf der Kundgebung am 15.01.2022
Es gilt das gesprochene Wort

Nach meinem Abitur kam ich im Jahr 1990 nach Deutschland. Seitdem sind mehr als 30 Jahre vergangen. In diesen Jahren sind viele Asylunterkünfte, Wohnheime für Vertragsarbeiter, Synagogen und Menschen mit Migrationshintergrund von Rechtsextremisten angegriffen worden. Dabei kamen mehr als 200 Menschen ums Leben. Heute möchte ich die bekanntesten Fälle kurz vortragen.

Fall 1: Amadeu Antonio Kiowa

Am 24. November 1990 wurde Amadeu Antonio in Eberswalde brutal zusammengeschlagen. Er ist 11 Tage später gestorben. Er war das erste Opfer nach der Wiedervereinigung, das sein Leben wegen der Hautfarbe verloren hatte. Die Täter sind zu sehr geringen Strafen verurteilt worden.

Fall 2: Hoyerswerda

Am 17. September 1991 eskalierte auf dem Marktplatz von Hoyerswerda ein Streit zwischen pöbelnden Neonazis und vietnamesischen Zigarettenhändlern. Die Neonazis wurden so aggressiv, dass die Händler sich nur in ihr Wohnheim retten konnten. Vom 18. bis 21. September wurde das Wohnheim der Vertragsarbeiter von Neonazis unter dem Beifall eines Teils der örtlichen Bevölkerung massiv angegriffen. Am 21. / 22. September verlagerte sich der Gewalt dann in Richtung des Asylbewerberheims. Wegen der heftigen Ausschreitungen musste das Asylbewerberheim am 23. September evakuiert werden. Insgesamt wurden 124 Menschen festgenommen. Zum Schluss sind nur 20 Personen zu geringen Strafen verurteilt worden.

Fall 3: Rostock-Lichtenhagen

Zwischen dem 22. und 26. August 1992 haben Rechtsextreme die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber und ein Wohnheim für Vertragsarbeiter in Rostock-Lichtenhagen angegriffen. Dabei haben bis zu 3000 Zuschauer den Rechtsextremen applaudiert und den Einsatz von Polizei und Feuerwehr behindert. Nachdem die Aufnahmestelle am 24. August evakuiert worden war, wurde das angrenzende Wohnheim, in dem sich noch über 100 Vietnamesen und ein Fernsehteam des ZDF aufhielten, am 25.08.1992 mit Molotowcocktails in Brand gesteckt. Die Polizei hatte sich in der Zeit völlig zurückgezogen. Sie haben die im Haus Eingeschlossenen schutzlos zurückgelassen.

Fall 4: Mölln

Am 23. November 1992 wurden zwei von türkischen Familien bewohnte Häuser in Mölln von Neonazis attackiert. Im zuerst attackierten Haus gab es zum Glück kein Todesopfer. Leider kamen im zweiten Haus drei Menschen ums Leben.

Fall 5: Solingen

Am 29. Mai 1993 folgte erneut ein Brandanschlag, diesmal in Solingen, bei dem fünf Menschen ums Leben kamen.

Fall 6: Carlebach Synagoge in Lübeck

Am 25. März 1994 wurde ein Brandanschlag auf das jüdische Gotteshaus in der St.-Annen-Straße in Lübeck verübt. Die Carlebach Synagoge war die erste, die knapp fünfzig Jahr nach dem Ende der Naziherrschaft wieder von Neonazis angegriffen worden war.
In der Nacht auf den 8. Mai 1995 gab es erneut einen Brandanschlag auf die Synagoge, bei dem ein angrenzender Schuppen vollständig ausbrannte.

Fall 7: Hafenstraße

Am 18.01.1996 wurde ein Brandanschlag auf das Asylbewerberheim in Lübeck verübt. Dabei sind zehn Menschen ums Leben gekommen. Der Fall ist immer noch nicht aufgeklärt!

Fall 8: NSU

Die rechtsextremen Mitglieder der Terrorzelle „Nationalistischer Untergrund (NSU)“ haben von 1998 bis 2011 zehn Menschen mit Migrationshintergrund ermordet.

Seit 2015 hat sich die Zahl der Übergriffe auf Politiker*innen erhöht, die sich für Flüchtlinge, Migration und Menschenrechte eingesetzt haben.

Fall 9: Henriette Raker


Am 17. Oktober 2015 hat ein Rechtsextremist Henriette Raker während ihres Wahlkampfes für das Oberbürgermeisteramt in Köln mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt. Nach dem Angriff schwebte sie in Lebensgefahr und lag mehrere Tage im künstlichen Koma.

Fall 10: Andreas Hollstein
November 2017 griff ein Mann den Bürgermeister Andreas Hollstein in Altena mit einem Messer an. Zum Glück überstand er den Angriff mit leichten Verletzungen .

Fall 11: Walter Lübcke
Am 02. Juni 2019 hat ein Rechtsextremist den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) auf seinem Balkon erschossen, wobei er ums Leben kam. Er ist der erste Politiker in Deutschland, der in der Nachkriegszeit von einem Rechtsextremisten erschossen wurde.

Fall 12: Halle
Der Anschlag in Halle am 9. Oktober 2019 war der Versuch eines Massenmordes an Juden am Versöhnungsfest. Der rechtsextreme Täter versuchte mit Waffengewalt, in die Synagoge im Paulusviertel einzudringen, um die dort versammelten Personen zu töten. Nachdem ihm dies misslungen war, erschoss er vor dem Gebäude eine Passantin und kurz darauf einen Gast in einem Döner-Imbiss.

Fall 13: Hanau
Ein Rechtsextremer hat am 19. Februar 2020 in Hanau neun Menschen mit Migrationshintergrund erschossen, danach seine Mutter und sich selbst.

Diese Fälle und meine persönliche Betroffenheit als potentiell bedrohter Mensch mit Einwanderungsgeschichte haben mich zu einer klaren Haltung im Kampf gegen Rassismus bewegt.

Jetzt laufen die Rassisten zusammen mit Corona – Leugnern durch unsere Straßen und verbreiten ihre rassistischen Idoelogie. Damit wollen sie unser friedliches Miteinander zerstören und die Demokratie in Gefahr bringen. Das darf nicht geschehen!

Ich will, dass diese Aufzählung des Schreckens hier und heute aufhört. Deswegen bin ich hier und möchte mit euch gemeinsam Rassismus und Menschenfeindlichkeit verurteilen.
Gemeinsam können wir sie stoppen!

Komm bitte am 17.01.2022 um 17:00 Uhr auf den Koberg zu der Demo „Solidarisch gegen Corona – kein Raum für Nazis“!

Kritische Betrachtung der ‚Spaziergänge‘ von Impfgegnern im Kreis Herzogtum Lauenburg

2. Januar 2022

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Folgend eine Pressemitteilung der „Omas gegen Rechts – Hzgt. Lauenburg“:

Herzogtum Lauenburg (pm). Dutzende Menschen beteiligten sich nach Darstellung der „Omas gegen Rechts“ in den vergangenen Wochen an verschiedenen „Spaziergängen“ zum Beispiel in Mölln, Schwarzenbek und in Büchen, um ihre Haltung gegen Impfungen und Einschränkungen ihrer Grundrechte öffentlich zu machen. „Sie trugen dabei keine Masken und haben nicht auf Abstände geachtet“, heißt es in einer Pressemeldung der „Omas“.

Mittlerweile sei hinlänglich bekannt, dass diese sogenannten „Spaziergänge“, wie auch angemeldete Demonstrationen von rechtsextremen Gruppierungen unterstützt und teilweise organisiert würden. Sie nutzten das breite Spektrum von Kritikern der Corona-Maßnahmen bis zu den Coronaleugnern, um ihre menschenverachtenden und demokratiefeindlichen Einstellungen zu verbreiten.

„Erschreckenderweise gab es bisher noch keine klare Distanzierung von Menschen, die Kritik an den Coronamaßnahmen äußern, gegenüber den mitwirkenden Rechtsradikalen. Diese leugnen wissenschaftliche Erkenntnisse mit der klaren Zielsetzung, die demokratischen Strukturen zu unterwandern. In Foren werden antisemitische Anspielungen verbreitet. Rassistische Erklärungsmuster dienen der Ausgrenzung und Abwertung anderer Menschen, bis zur Androhung von Gewalt und Mord. In den entsprechenden Telegram- Kanälen, die auch hier im Kreis genutzt werden, um zu den „Spaziergängen“ aufzurufen, sind Aufrufe zur Gewalt zu finden“, schreiben die „Omas gegen Rechts“ weiter.

„Wir ‚Omas gegen Rechts‘ aus dem Kreis Herzogtum Lauenburg fordern eine Anmeldepflicht für die sogenannten Spaziergänge, sowie die klare Durchsetzung von geltenden Corona-Regeln für alle.  Außerdem fordern wir konsequentes Vorgehen gegen gewaltverherrlichende und rechtsradikale Auftritte in unserem Kreis. Durch unsere Anwesenheit bei diesen Veranstaltungen wollen wir uns im Sinne der Mehrheit der Bevölkerung der rechtsradikalen Szene entgegen stellen“, so die abschließende Forderung der „Omas gegen Rechts“.

Unterzeichnet wurde die Mitteilung von einigen Mitgliedern aus der Gruppe „Omas gegen Rechts “ im Kreis Herzogtum Lauenburg: Elke Hagenah, Renate Schächinger, Renate Lopez, Heike Grahlmann, Hannelore Pingel, Ulrike Lappat, Petra Bröker, Dagmar Umland- Ponge, Ellen Ancot und Birgit Sitter

Abschlusserklärung vom Bundesausschuss Friedensratschlag zum 28. Bundesweiten Friedensratschlag am 4. Dezember 2021

12. Dezember 2021

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Wir veröffentlichen hier die Abschlusserklärung des 28. bundesweiten Friedensratschlag:

„Widerstand gegen Aufrüstung und Krieg –
Aufbruch für Abrüstung und Frieden“


Von der neuen Regierungskoalition von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP ist kein Umsteuern in der Außen- und Militärpolitik zu erwarten. Der vorliegende Koalitionsvertrag gibt wenig Hoffnung auf eine Entspannungspolitik. Im Gegenteil, die aggressive Einkreisung Russlands und Chinas sollen verschärft werden. Die Auslandseinsätze der Bundeswehr sollen – trotz des verheerenden Afghanistan- Krieges – nicht beendet, sondern für die „Durchsetzung der regelbasierten internationalen Ordnung“ ausgeweitet werden.

Besonders an der Westgrenze Russlands, in Afrika, aber auch im Pazifik und im Nahen Osten werden die Kriegsdrohungen lauter. Statt das Völkerrecht und die Charta der Vereinten Nationen zu stärken, wird weiter auf das „Recht des Stärkeren“ gesetzt. Die Koalition will mit ‚Strategischer Souveränität‘ für die EU und mit der NATO als ‚Sicherheitspfeiler‘ die militärische Eskalation fortsetzen. Der Druck auf unabhängige Staaten soll mit Blockaden und Sanktionen weiter verstärkt werden. Damit wird die Weltflüchtlingskatastrophe, die vor allem in Kriegen unter Beteiligung von NATO-Staaten ihren Ursprung hat, zunehmen.

Auch wenn die angekündigte Teilnahme als Beobachter an der Vertragsstaatenkonferenz des UN- Atomwaffenverbotsvertrages – eine Folge des Drucks der Friedensbewegung – einen anderen Eindruck zu vermitteln sucht: Atomwaffen werden in Deutschland weiterhin einsatzbereit gelagert, sogar treffsicherer gemacht, die „atomare Teilhabe“ bleibt Teil der offensiven Kriegsführungsstrategie. Es wird kein Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag angestrebt und auch Rüstungsexporten wird kein klarer Riegel vorgeschoben. Das angekündigte Rüstungskontrollexportgesetz ist unzureichend. Nach dieser Koalitionsvereinbarung sollen die Aufrüstungspolitik und die 2-Prozent-Forderung der NATO sowie eine weitere EU-Militarisierung realisiert werden. Die Anschaffung bewaffneter Drohnen – sollte dieser Plan im Koalitionsvertrag nicht gestoppt werden – und die Absicht, neue Atombomber anzuschaffen und am 500 Milliarden-Euro-Projekt FCAS weiterzuarbeiten, sind eine deutliche Absage an friedenspolitische Positionen. Die Mittel für diese weiter forcierte Hochrüstung fehlen im Bereich der Sozialpolitik, der Bildung, Gesundheit, der Ökologie und in allen weiteren Bereichen der Daseinsvorsorge.

Dass nach dem Koalitionsvertrag Deutschland künftig für einen „vernetzten und inklusiven Ansatz langfristig drei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in internationales Handeln investiert“, und „so seine Diplomatie und seine Entwicklungspolitik stärkt und seine in der NATO eingegangenen Verpflichtungen erfüllt“, signalisiert, dass mit allen Mitteln eine militarisierte Globalstrategie betrieben werden soll.

Gegen diese Politik ist breiter Protest und Widerstand einer außerparlamentarischen Opposition mit klaren Positionen erforderlich. Wir werden daher weiter aktiv bleiben und müssen neue Mitstreiter:innen für einen wirklichen politischen Wandel gewinnen. Denn eine ernsthafte und wirkungsvolle Friedenspolitik ist unabdingbare Voraussetzung für die Bewältigung der vielen globalen und regionalen Krisen und Herausforderungen, die die Zukunft der Menschheit bedrohen.

Militärische Aufrüstung stoppen, Spannungen abbauen, Rassismus und Abschiebungen bekämpfen, gegenseitiges Vertrauen aufbauen, das schafft Perspektiven für Entwicklung und soziale und globale Sicherheit.

Die Friedensbewegung fordert einen wirklichen Politikwechsel:

•Abrüsten statt Aufrüsten, Frieden und Kooperation, das geht nur mit einer neuen Entspannungspolitik und internationaler Zusammenarbeit.

•Rüstungsexporte müssen verboten werden, bewaffnete Drohnen und Atomwaffen verschwinden, die Bundeswehr muss die Auslandseinsätze beenden.

•Statt Kriegspropaganda und Militarisierung fordern wir Zukunftsinvestitionen für eine internationale, gemeinsame Sicherheit.

 

www.friedensratschlag.de

Querdenker in und um Lübeck radikalisieren sich

2. Dezember 2021

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Folgender Text stammt von der Antifa Lübeck und wurde zuvor bei Twitter veröffentlicht:

Verschwörungsideologische Zusammenhänge radikalisieren sich immer weiter, auch in Lübeck: Die seit August diesen Jahres gegründete Telegram-Gruppe „Lübeck – Leben ohne Impfung“ zählt mittlerweile mehr als 1.100 Mitglieder.

Das Menschen, die Verschwörungserzählungen und krude rechte Theorien anhängen, vorwiegend Telegram als ihre Plattform begreifen, ist keine neue Erkenntnis. Diverse Gruppen haben sich seit Anfang der Corona-Pandemie Telegram zu eigen gemacht, um sich miteinander zu vernetzen.
Viele dieser Lübecker Telegram-Gruppen sind nach anfänglichen starken Zuwächsen in den folgenden Monaten zerbrochen. Gründe sind unter anderem interne Streitigkeiten und Zerwürfnisse, Demotivation, fehlende Aktionsbereitschaft und Angst vor dem politischen Gegner.
Die Telegram-Gruppe „Lübeck – Leben ohne Impfung“ hat neben dem digitalen Austausch zeitnah auf einen persönlichen Austausch ihrer Mitglieder gesetzt und somit einen sozialen Raum geschaffen.
Neben einer Vielzahl an Mitgliedern, die den Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie kritisch gegenüberstehen, tummeln sich in der Gruppe eine gefährliche Mischung aus Impfgegnern, Coronaleugnern, Reichsbürgern, QAnon-Anhängern, Rechten, die Basis- und AfD-Mitgliedern.
Anfänglich lag der Fokus der Gruppe auf Geschäften, in denen man ohne Mund-Nasen-Bedeckung und ohne weitere Einschränkungen einkaufen gehen kann. Listen wurden angelegt, Adressen ausgetauscht und sogar ein privater Tauschring beworben.
Im späteren Verlauf wurde die Gruppe von „Einkaufen ohne Impfung“ in „Leben ohne Impfung“ umbenannt. Neben der Lübecker Telegram-Gruppe haben die Administratoren weitere Gruppen für alle Kreise in Schleswig-Holstein angelegt, die jedoch weniger stark frequentiert werden.
Der Schwerpunkt der angelegten Gruppen liegt auf dem Lübecker Zusammenschluss, der selbst als „Hauptgruppe“ betitelt wird und impulsgebend für alle anderen Gruppen ist. So sind in der Lübecker Gruppe auch Mitglieder anderer Gruppen aus benachbarten Kreisen.
Bis in den Herbst hinein hat sich der Lübecker Zusammenschluss einmal wöchentlich um 15 Uhr im Drägerpark am „Tor der Hoffnung“ in #Lübeck getroffen, bei schlechtem Wetter unter der Wallbrechtbrücke an der Ratzeburger Allee.
Die Anzahl an Teilnehmenden schwankte zwischen 20 und 60 Personen. Bei gutem Wetter wurden z.B. Decken und Picknick-Utensilien mitgebracht und sich in einer familiären, bzw. freundschaftlichen Atmosphäre vernetzt und ausgetauscht.
Anfang Oktober wechselte die Gruppe in ein geheim gehaltenes „Winterquartier“ in die Lübecker Innenstadt. Grund hierfür waren die schlechten Wetterbedingungen der letzten Wochen. Von einem Vorabtreffpunkt wurden interessierte Personen zum „Winterquartier“ abgeholt.
Das „Winterquartier“ ist eine leerstehende Arztpraxis am Klingenberg auf der Lübecker Altstadtinsel in der Sandstraße 25-27, die von Mitgliedern aus der Gruppe mit Mobiliar und Einrichtungsgegenständen eingerichtet wurde.
Die Räumlichkeiten in der Sandstraße dienten Mitgliedern dazu, sich weiterhin unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu radikalisieren.

So wurden Workshops und Vorträge abgehalten, u.a. zu dem Thema „Widerstand leisten“.
Ende November traf sich der Zusammenschluss das erste Mal mit ca. 150 Personen an der Obertrave, Ecke Marlesgrube. Grund hierfür waren u.a. Platzprobleme im „Winterquartier“ und die Angst Einzelner, gegen Corona-Auflagen zu verstoßen.
Einzelne Mitglieder und auch Administratoren der Gruppe skizzieren immer wieder, auf Verschwörungserzählungen zurückzuführende, Untergangsszenarien, in denen die Regierung, der „Deep State“ oder andere Mächte das jetzige Gesellschaftssystem abschaffen wollen.
So wird regelmäßig in der Gruppe an geschmiedete Notfallpläne erinnert, wie bspw. bei einem Stromausfall. Zudem haben weitere Mitglieder örtliche Wasserquellen ausgekundschaftet um sich im Notfall mit Wasser zu versorgen. Nahrungsmittel sollen in größeren Mengen gehortet werden.
Die Gruppe hat sich in den letzten Monaten immer weiter gesellschaftlich isoliert und agiert mittlerweile vorwiegend unter den von ihnen geknüpften Kontakten.

Eine kontrovers geführte Diskussion über die Sinnhaftigkeit von Demonstrationen führte bei einigen Personen zu dem Schluss, eine „Parallelgesellschaft“ aufbauen zu wollen. Hintergrund waren mehrere gefloppte Veranstaltungen aus dem Spektrum.
So wurden „Untergruppen“ (Telegram-Gruppen) erstellt, wie z.B. eine Singlebörse, eine Kindersportgruppe, eine Aktionsgruppe (u.a. für Flugblattverteilung), eine Mitfahrzentrale und eine Gruppe, in der Qualifikationen und Fertigkeiten ausgetauscht werden können.
In der Hauptgruppe werden zudem allerhand Strategien ausgetauscht, um die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandiemie zu umgehen oder auszuhebeln. Intern werden u.a. Adressen von Ärzt:innen weitergeben, die Teil der Struktur sind oder eben mit dem Spektrum sympathisieren.
Einer dieser Ärzte ist Peter Gerstenberg aus #Lübeck, der offen auf seiner Website mit dem Spektrum sympathisiert. Gerstenberg ist Mitglied des örtlichen AfD-Kreisverbandes in #Lübeck.
Darüber hinaus gibt es aus der Gruppe immer wieder Versuche, öffentliche Umfragen im Bezug auf die Corona-Pandemie zu sabotieren, zuletzt geschehen am 23. November 2021 bei einer Online Umfrage der Lübecker Nachrichten.
Weiter wird versucht Mitglieder aufzustacheln und durch Massenkommentare die öffentliche Meinung zu verändern. So hat ein Administrator der Lübecker Gruppe dazu aufgerufen, die „Meinungshoheit“ beim Online-Magzin HL-live zu übernehmen.
Als Antifaschist:innen die Redaktion daraufhin informierte, wurde kurzerhand temporär die Kommentarfunktion abgeschaltet, um Kommentaren, die Verschwörungserzählungen, rechte oder antisemitische Positionen beinhalten, keinen Raum zu geben.
Der Ton wird schärfer. Einigen Mitgliedern geht das Engagement ihrer Mitstreitenden nicht weit genug. Sie wollen mehr als nur „Spazierengehen“. Ein Administrator schrieb im Bezugnahme auf einen N-TV-Beitrag: „Gehört ans nächste Fensterkreuz der Typ!“


Wir als Antifaschist:innen müssen weiterhin verschwörungsideologische Zusammenhänge genaustens beobachten, Grenzen aufzeigen, rechte und antisemitische Denkmuster entlarven und uns unverändert solidarisch im Umgang mit der Corona-Pandemie verhalten.

Ausstellung erinnert an Ermordung von Kranken vor 80 Jahren

23. September 2021

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Lübeck: Auf dem Gelände der heutigen Uniklinik befand sich früher die Heilanstalt Strecknitz. Von dort wurden vor 80 Jahren mehr als 600 Menschen deportiert und ermordet, zudem auch zehn junge Menschen aus dem Heim Vorwerk. Die Ausstellung „plötzlich weg“ informiert ab dem 23. September über diese Opfer der NS-Euthanasie sowie den Widerstand der vier Lübecker Märtyrer gegen die Krankenmorde.

Bereits seit den 1980er Jahren erinnert ein Stein auf dem Parkgelände, das an die Gebäude der ehemaligen Heilanstalt grenzt, an die Deportationen vom 23. September 1941. Doch das reicht den Studierenden nicht mehr. „Denn trotz des Steines ist der Mehrheit der Menschen auf dem Campus der historische Kontext noch immer nicht bekannt. Deshalb soll diese Ausstellung die Ereignisse vor 80 Jahren in das Bewusstsein der Besucherinnen und Besucher rufen und auch einen Ort der Aufklärung darstellen“, sagen die Studierenden. „Wir wollen hiermit ein Zeichen gegen das Vergessen setzen und Orte des Erinnerns schaffen. Aus diesem Grund werden auch permanente Tafeln am Turmgebäude und am Gedenkstein installiert, so dass zukünftigen Generationen eine Möglichkeit der Information verbleibt.“
Auch der Psychiater Dr. Peter Delius, der in den 1980er Jahren als Student und AStA-Mitglied die Vorgänge in Lübeck erforscht hat und maßgeblich für die Aufarbeitung der Geschichte eingetreten war, hält es für wichtig, mit der Erinnerung an die teilweise bis heute tabuisierten Krankenmorden und hat sich deshalb an der Ausstellungsgruppe beteiligt. Er wird bei der Eröffnung der Ausstellung in einem Vortrag über die Schwierigkeiten bei den früheren Forschungen zum Thema berichten.
Die Ausstellung „plötzlich weg“ kann deshalb auch nicht an einem beliebigen Ort statt finden, denn sie soll das Thema „NS-Euthanasie“ genau dorthin tragen, wo es auch heute noch Teil berufsethischer Orientierung sein sollte und dorthin, wo Menschen von Krankheit und von den Fragen des Umgangs damit betroffen sind.
Und auch aus der Perspektive der Märtyrer-Gedenkstätten sollte das Thema ein zentraler Bestandteil der Lübecker Erinnerungskultur werden und bleiben. Die Todesurteile für die vier Lübecker Geistlichen wurden unter anderem mit der Verteilung von Schriften begründet, die über die Tötung der hilflosen und kranken Menschen aufklärten und sich dagegen verwehrten. „Für den evangelischen Pastor Karl Friedrich Stellbrink hatte das Thema darüber hinaus auch eine familiäre Relevanz, da seine Schwester in einer Heilanstalt lebte und damit auch bedroht war“, erklärt die Leiterin der Gedenkstätte Lutherkirche, Dr. Karen Meyer-Rebentisch.
Die Ausstellung wird am 23. September um 18 Uhr im Beisein von Vertretern von Universität und Klinik eröffnet. Bürgermeister Jan Lindenau spricht ein Grußwort. Historische Einführung ins Thema durch Dr. Peter Delius. Die Eröffnung wird durch ein musikalisches Programm von Studierenden der Musikhochschule Lübeck umrahmt.
Geöffnet ist die Ausstellung im Haus A des UKSH, ehemaliger Haupteingang, bis zum 30. Oktober täglich von 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.

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