Querdenker in und um Lübeck radikalisieren sich

2. Dezember 2021

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Folgender Text stammt von der Antifa Lübeck und wurde zuvor bei Twitter veröffentlicht:

Verschwörungsideologische Zusammenhänge radikalisieren sich immer weiter, auch in Lübeck: Die seit August diesen Jahres gegründete Telegram-Gruppe „Lübeck – Leben ohne Impfung“ zählt mittlerweile mehr als 1.100 Mitglieder.

Das Menschen, die Verschwörungserzählungen und krude rechte Theorien anhängen, vorwiegend Telegram als ihre Plattform begreifen, ist keine neue Erkenntnis. Diverse Gruppen haben sich seit Anfang der Corona-Pandemie Telegram zu eigen gemacht, um sich miteinander zu vernetzen.
Viele dieser Lübecker Telegram-Gruppen sind nach anfänglichen starken Zuwächsen in den folgenden Monaten zerbrochen. Gründe sind unter anderem interne Streitigkeiten und Zerwürfnisse, Demotivation, fehlende Aktionsbereitschaft und Angst vor dem politischen Gegner.
Die Telegram-Gruppe „Lübeck – Leben ohne Impfung“ hat neben dem digitalen Austausch zeitnah auf einen persönlichen Austausch ihrer Mitglieder gesetzt und somit einen sozialen Raum geschaffen.
Neben einer Vielzahl an Mitgliedern, die den Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie kritisch gegenüberstehen, tummeln sich in der Gruppe eine gefährliche Mischung aus Impfgegnern, Coronaleugnern, Reichsbürgern, QAnon-Anhängern, Rechten, die Basis- und AfD-Mitgliedern.
Anfänglich lag der Fokus der Gruppe auf Geschäften, in denen man ohne Mund-Nasen-Bedeckung und ohne weitere Einschränkungen einkaufen gehen kann. Listen wurden angelegt, Adressen ausgetauscht und sogar ein privater Tauschring beworben.
Im späteren Verlauf wurde die Gruppe von „Einkaufen ohne Impfung“ in „Leben ohne Impfung“ umbenannt. Neben der Lübecker Telegram-Gruppe haben die Administratoren weitere Gruppen für alle Kreise in Schleswig-Holstein angelegt, die jedoch weniger stark frequentiert werden.
Der Schwerpunkt der angelegten Gruppen liegt auf dem Lübecker Zusammenschluss, der selbst als „Hauptgruppe“ betitelt wird und impulsgebend für alle anderen Gruppen ist. So sind in der Lübecker Gruppe auch Mitglieder anderer Gruppen aus benachbarten Kreisen.
Bis in den Herbst hinein hat sich der Lübecker Zusammenschluss einmal wöchentlich um 15 Uhr im Drägerpark am „Tor der Hoffnung“ in #Lübeck getroffen, bei schlechtem Wetter unter der Wallbrechtbrücke an der Ratzeburger Allee.
Die Anzahl an Teilnehmenden schwankte zwischen 20 und 60 Personen. Bei gutem Wetter wurden z.B. Decken und Picknick-Utensilien mitgebracht und sich in einer familiären, bzw. freundschaftlichen Atmosphäre vernetzt und ausgetauscht.
Anfang Oktober wechselte die Gruppe in ein geheim gehaltenes „Winterquartier“ in die Lübecker Innenstadt. Grund hierfür waren die schlechten Wetterbedingungen der letzten Wochen. Von einem Vorabtreffpunkt wurden interessierte Personen zum „Winterquartier“ abgeholt.
Das „Winterquartier“ ist eine leerstehende Arztpraxis am Klingenberg auf der Lübecker Altstadtinsel in der Sandstraße 25-27, die von Mitgliedern aus der Gruppe mit Mobiliar und Einrichtungsgegenständen eingerichtet wurde.
Die Räumlichkeiten in der Sandstraße dienten Mitgliedern dazu, sich weiterhin unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu radikalisieren.

So wurden Workshops und Vorträge abgehalten, u.a. zu dem Thema „Widerstand leisten“.
Ende November traf sich der Zusammenschluss das erste Mal mit ca. 150 Personen an der Obertrave, Ecke Marlesgrube. Grund hierfür waren u.a. Platzprobleme im „Winterquartier“ und die Angst Einzelner, gegen Corona-Auflagen zu verstoßen.
Einzelne Mitglieder und auch Administratoren der Gruppe skizzieren immer wieder, auf Verschwörungserzählungen zurückzuführende, Untergangsszenarien, in denen die Regierung, der „Deep State“ oder andere Mächte das jetzige Gesellschaftssystem abschaffen wollen.
So wird regelmäßig in der Gruppe an geschmiedete Notfallpläne erinnert, wie bspw. bei einem Stromausfall. Zudem haben weitere Mitglieder örtliche Wasserquellen ausgekundschaftet um sich im Notfall mit Wasser zu versorgen. Nahrungsmittel sollen in größeren Mengen gehortet werden.
Die Gruppe hat sich in den letzten Monaten immer weiter gesellschaftlich isoliert und agiert mittlerweile vorwiegend unter den von ihnen geknüpften Kontakten.

Eine kontrovers geführte Diskussion über die Sinnhaftigkeit von Demonstrationen führte bei einigen Personen zu dem Schluss, eine „Parallelgesellschaft“ aufbauen zu wollen. Hintergrund waren mehrere gefloppte Veranstaltungen aus dem Spektrum.
So wurden „Untergruppen“ (Telegram-Gruppen) erstellt, wie z.B. eine Singlebörse, eine Kindersportgruppe, eine Aktionsgruppe (u.a. für Flugblattverteilung), eine Mitfahrzentrale und eine Gruppe, in der Qualifikationen und Fertigkeiten ausgetauscht werden können.
In der Hauptgruppe werden zudem allerhand Strategien ausgetauscht, um die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandiemie zu umgehen oder auszuhebeln. Intern werden u.a. Adressen von Ärzt:innen weitergeben, die Teil der Struktur sind oder eben mit dem Spektrum sympathisieren.
Einer dieser Ärzte ist Peter Gerstenberg aus #Lübeck, der offen auf seiner Website mit dem Spektrum sympathisiert. Gerstenberg ist Mitglied des örtlichen AfD-Kreisverbandes in #Lübeck.
Darüber hinaus gibt es aus der Gruppe immer wieder Versuche, öffentliche Umfragen im Bezug auf die Corona-Pandemie zu sabotieren, zuletzt geschehen am 23. November 2021 bei einer Online Umfrage der Lübecker Nachrichten.
Weiter wird versucht Mitglieder aufzustacheln und durch Massenkommentare die öffentliche Meinung zu verändern. So hat ein Administrator der Lübecker Gruppe dazu aufgerufen, die „Meinungshoheit“ beim Online-Magzin HL-live zu übernehmen.
Als Antifaschist:innen die Redaktion daraufhin informierte, wurde kurzerhand temporär die Kommentarfunktion abgeschaltet, um Kommentaren, die Verschwörungserzählungen, rechte oder antisemitische Positionen beinhalten, keinen Raum zu geben.
Der Ton wird schärfer. Einigen Mitgliedern geht das Engagement ihrer Mitstreitenden nicht weit genug. Sie wollen mehr als nur „Spazierengehen“. Ein Administrator schrieb im Bezugnahme auf einen N-TV-Beitrag: „Gehört ans nächste Fensterkreuz der Typ!“


Wir als Antifaschist:innen müssen weiterhin verschwörungsideologische Zusammenhänge genaustens beobachten, Grenzen aufzeigen, rechte und antisemitische Denkmuster entlarven und uns unverändert solidarisch im Umgang mit der Corona-Pandemie verhalten.