Nichts wird gut in Afghanistan und anderswo…

25. August 2021

, , , , , ,

Wir veröffentlichen die Erklärung des BAF Bundesausschuss Friedensratschlag Kassel (in dem wir mitarbeiten) und linker Friedensaktivist*innengruppe:

Nichts wird gut in Afghanistan und anderswo, solange Krieg zu Frieden führen soll!

Das Zitat des Bundes’verteidigungs’ministers seiner Zeit Peter Struck, demzufolge Deutschlands Freiheit am Hindukusch verteidigt wird, erweist sich in der aktuellen Situation erneut als Propaganda-Narrativ zur Rechtfertigung der Gewalt mit einem Satz, der viele Menschen erreicht. Freiheit und Verteidigung, das sind Begriffe, die nicht unbedingt zutreffen müssen, aber Herzen gewinnen können.

Am 16. November und am 22. Dezember 2001 beschloss der Bundestag auf Antrag der SPD/Grüne-Bundesregierung die Beteiligung am Afghanistan-Krieg unter dem Stichwort von Kanzler Schröder von der uneingeschränkten Solidarität mit den USA nach nine eleven und der Parole „Frieden nur durch militärische Hilfe“ (1).
Einzig die PDS, die in der Linkspartei aufging, stimmte damals dagegen.

Die Friedensbewegung warnte von Anfang an: Dieser Konflikt ist militärisch unlösbar; der Friedensforscher Johan Galtung brachte es kurz nach dem Bundestagsbeschluss für den Afghanistan-Krieg auf den Punkt: “ Ich halte es … für naiv, mit Gewalt Änderungen herbeiführen zu wollen. Der Terrorismus kann nur mit Dialog und dem Willen zur Versöhnung bekämpft werden. Die Amerikaner haben es verpasst, mit den Taliban zu verhandeln. Letztere waren sogar bereit, Osama Bin Laden an einen andern islamischen Staat auszuliefern. Die USA haben das ausgeschlagen, einen Krieg begonnen und damit noch mehr Hass auf sich gezogen. Der Westen muss von seiner gewalttätigen Politik abkehren.“ (2)

Dieses Zitat ist eminent wichtig, denn gerade jetzt, da die Taliban Afghanistan nach dem Nato-Abzug oft ohne Gegenwehr immer weiter unter ihre Kontrolle bringen, werden wieder Stimmen laut, die Nato hätte nicht weichen sollen.

Nur die Linke steht auch in der Frage konsequent an der Seite der Friedensbewegung.

Wer jetzt noch unbeirrt die Nato-Interventionspolitikverteidigt, verhält sich so, als stoße man mit einem immer heftiger von Blutergüssen übersäten Kopf gegen die immer gleiche Wand.

Fünf Jahre nach Johan Galtung erklärte der Bundessprecher des Friedensratschlages Peter Strutynski:

„Sicher scheint aber doch zu sein, dass der militärische Weg zur Stabilisierung oder gar Befriedung des Landes gescheitert ist. In weiten Teilen des Landes herrschen dieselben Warlords wie vor dem Krieg, bestehen ähnlich prekäre (Über-)Lebensbedingungen der Bevölkerung, regiert die Gewalt über dem Recht.

Wenn der NATO-Gipfel von Riga im November 2006 in seinem Abschlussdokument bekundete, dass die Regierung unter Hamid Karzai und das afghanische Volk danach strebten, ‚eine stabile, demokratische und prosperierende Gesellschaft aufzubauen, die frei von Terrorismus, Drogen und Angst ist, ihre Sicherheit selbständig gewährleisten kann und im Frieden mit den Nachbarn lebt‘, so kann dies nur als das berühmte Pfeifen im Walde oder, noch schlimmer, als unverfrorene Lüge charakterisiert werden.“ (3)

Die Bilanz eines Krieges mit inzwischen circa 200 000 Toten, darunter tausende Nato-Kräfte und Bedienstete westlicher Militärdienstleister, aber vor allem ziviler Opfer in der Bevölkerung Afghanistans und alleine für die USA 4 Billionen US-Dollar (=4000 Milliarden) plus weitere Milliarden auf Seiten weiterer Nato-Staaten, darunter Deutschland mit offiziell circa 13 Milliarden Euro ist erstens verheerend und zweitens das für die Militärs und ihre Unterstützer überraschende Eintreten des Vorhersehbaren (4).

Die Traumatisierungs-Opfer auf allen Seiten kommen hinzu. Das Land ist zerstört, Minen verwandeln Großregionen in No-Go-Areale, ungezählte Flüchtlinge im Land und auf dem Weg in den Westen runden das Schreckensbild ab. Diese Tragödie korrespondiert mit den Resultaten weiterer Interventionskriege in der Region zwischen dem Balkan, Mittelafrika und dem Golf. Sogar die Münchner Sicherheitskonferenz spricht hier vom Zerfall der internationalen Ordnung (5).

Jetzt zurück nach Afghanistan, wie es schon wieder gefordert wird, wäre ein erneutes Himmelfahrtskommando für die Nato und für die Menschen im Land (6).

Die propagierten Fehleinschätzungen in der Kommunikation der Bundesregierung, der Bundeswehr und der weiteren westlichen militärischen Kräfte Pflastern den Weg ins Not, Leid und immer weitere Zerstörung auch des Klimas, das unter den Verbrennungsabgasen von Krieg weltweit leidet. Die sich optimistisch gebende Bundesregierung wartete in der Zeit des von Deutschland mitgeführten Krieges in Afghanistan mit so genannten „Fortschrittsberichten“ über die ‚Stabilisierung‘ der Sicherheitslage und Hilfe der Entwicklung auf. Grüne begrüßten die zivil-militärische Kooperation als beispielhaft (7).

Die verbliebene Konsequenz für die gesamte internationale Politik muss der Abschied von der Militarisierung der Weltpolitik sein.

Es geht um den Ausbau der internationalen Friedensordnung über die Aufwertung der UNO, der Organisation für Frieden und Zusammenarbeit in Europa und der internationalen Kooperation zur Lösung der ökologischen, sozialen und ökonomischen Herausforderungen für die Menschheit im 21. Jahrhundert.

Das wird nicht ohne Verhandlungen von Kriegs- und ökonomischen Gegnern gehen. Eine weltweite Kooperation hat der UN-Generalsekretär seiner Zeit U Thant 1969 als Bedingung für die Überwindung der Zukunftsgefährdungen benannt (8). Diese Kooperation muss im Kleinen anfangen, auch in regionalen Friedensverhandlungen. Dazu gibt es keine Alternative.

In diesem Zusammenhang ist auch zur Rolle der Taliban Differenzierung zwingend. In der FAZ, die kein linkes Blatt ist, liest man dieser Tage:

„Nicht alle fürchten die Rückkehr der Taliban –

Jalaluddin Shinwari war stellvertretender Justizminister zur Zeit der Taliban-Herrschaft. Für die heutige Regierung im Kabuler Präsidentenpalast hat er nicht viel übrig – und mit dem Vormarsch der Islamisten verbindet er Hoffnung. Nein, ein Mitglied der Taliban sei er nicht mehr, sagt Jalaluddin Shinwari. Ein „aber“ schwebt über dem Satz. Und auch wenn man den freundlichen Herrn öfter trifft und sich lange mit ihm unterhält – es verschwindet nicht. Shinwari war stellvertretender Justizminister zur Zeit der Herrschaft der Taliban über Afghanistan von 1996 bis 2001. Heute lebt er in Kabul und ist in jüngster Zeit so etwas wie ein Taliban-Experte für afghanische und ausländische Medien geworden. Mit jedem Distrikt und mit jeder Stadt, die die Aufständischen übernehmen, wächst das Bedürfnis nach Einordnung. Haben sie Verhandlungsbereitschaft nur vorgetäuscht und von Anfang an geplant, das ganze Land aufs Neue mit Waffengewalt zu unterwerfen? Und würden sie dann so grausam regieren wie in den neunziger Jahren? Ist den Aussagen ihrer Vertreter, dem werde nicht so sein, etwas zu geben?“ (9)

Offensichtlich hat der widerstandsarme Vormarsch der Taliban etwas mit dieser Entwicklung zu tun. Wie sonst sollte man erklären, dass breite Teile der afghanischen Armee bereitwillig oder gar überzeugt so schnell die Seite wechseln und sich den Taliban bei deren Eintreffen vor Ort mitsamt ihrer militärischen Ausrüstung den neuen Herren anschließen. Hinzu kommt eine von den Nato-Kräften übersehene Loyalität vieler Armee-Angehöriger nicht gegenüber ihrer Zentralmacht in Kabul, sondern gegenüber „ihrer eigenen ethnischen Zugehörigkeit oder einem Warlord, für den sie in der Vergangenheit gekämpft haben. Zumindest sind weite Teile der afghanischen Sicherheitskräfte nicht bereit, für die Regierung in Kabul ihr Leben zu lassen…“, so der Afghanistan-Experte Markus Kaim (10).

Markus Kaim zu den Hintergründen des Nato-Scheiterns der Interventionspolitk, die über Afghanistan hinaus die gesamte sogenannte ‚Sicherheitspolitik‘ der Nato als auf Irrtümern aufgebaut zurück lässt:

“ «Es gab über lange Jahre keinen Konsens darüber, was der Einsatz erreichen soll, welche Ziele man hat. Für die USA war es immer eine Terrorbekämpfungs-Mission, während etwa für Deutschland Stabilisierung und der Aufbau von staatlichen Institutionen im Zentrum standen. Die verschiedenen Prioritäten wirkten sich auch auf die Mittelverteilung aus – das war ungut.» Und… : «Ein solches Unterfangen hat nur Sinn, wenn man vor Ort mit einem Partner zusammenarbeitet, der sich der Umsetzung der gleichen Ziele verschrieben hat. Doch wir mussten feststellen, dass wir es in Afghanistan mit Regierungen zu tun hatten, die korrupt und vor dem Hintergrund der Wahlfälschungen im Land auch nicht unbedingt legitim waren.» Der Leistungsausweis dieser Regierungen sei weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. «Da waren keine Partner vor Ort, auf die der Westen setzen konnte», so Kaim weiter. «Das erkennen wir bei anderen Militärinterventionen auch anderswo, etwa in Mali.» “ (11)

Gerade in Zeiten des Zerfalls und der ökologischen Katastrophe gibt es keine vernünftige Alternative zu einer Friedenspolitik, die den Einfluss der Militaristen und ihrer Helfershelfer zurückdrängt.

Das ist die Aufgabe der friedensökologischen Kräfte in den Wochen bis zu Bundestagswahl und darüber weit hinaus. Die Friedensbewegung hat die Verantwortung, den Druck gegen die Nato-Interventionspolitik gerade auch im Wahlkampf in breiten Bündnissen alternativer Kräfte zu steigern. Alle Kräfte für die Zukunft, auch z.B. die Seebrücke, haben daran Interesse. Insgesamt steht Afghanistan für das Scheitern der Interventionspolitik der Nato. Afghanistan ist das Desaster der NATO und der USA nur vergleichbar mit Vietnam. Es ist das endgültige Ende des sogenannten ‚war on  terror‘, der propagandistisch ‚Antiterrorkrieg‘ genannten „Operation Enduring Freedom“. Dieses Himmelfahrtskommando hat Millionen Opfer gekostet und nicht nur weite Teile der Welt destabilisiert, sondern es hat die gesamte internationale Politik ins Chaos gestürzt.

Eine völkerrechtswidrige, verbrecherische und menschenverachtende Politik ist gescheitert und wir müssen fordern, dass jetzt Schluss ist und Schlussfolgerungen grundsätzlicher Art zu ziehen sind. Auch für die Linke ist damit eine radikale Absage an die NATO endgültig unabdingbar.

Es gibt nur eine Zukunft für die Menschheit, wenn sie friedlich wird. Kriege enden nicht im Frieden.

linke Friedensaktivist*innengruppe https://frieden-links.de

Reiner Braun
Kristine Karch
Ekkehard Lentz
Pascal Luig
Willi van Ooyen (BAF)
Karl Heinz Peil (BAF)
Werner Ruf (BAF)
Bernhard Trautvetter

(1) https://www.bundestag.de/webarchiv/textarchiv/2011/37148635_kw51_10_jahre_isaf-207270
(2) Sonntagszeitung, 18. November 2001, Quelle: http://www.ag-friedensforschung.de/themen/Terrorismus/galtung.html
(3) http://www.ag-friedensforschung.de/themen/Bundeswehr/weissbuch/strutynski.html
(4) https://welt25.com/2021/08/14/das-afghanistan-desaster-20-jahre-nato-massenmord/
(5) https://securityconference.org/news/meldung/der-zerfall-der-internationalen-ordnung-im-fokus-die-51-muenchner-sicherheitskonferenz-im-lichte-aktueller-krisen-und-konflikte/
(6) https://www.zdf.de/nachrichten/politik/afghanistan-taliban-roettgen-100.html
(7) https://www.bundeswehr-journal.de/2012/aufbruch-in- und: http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1334 eine-neue-zukunft/#more-400
(8) Sithu U Thant, in: Dennis Meadows, Die Grenzen des Wachstums, Stuttgart 1972 S. 11
(9) https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/afghanistan-nicht-alle-fuerchten-die-rueckkehr-der-taliban-17481036.html
(10) https://www.msn.com/de-ch/nachrichten/other/wieso-h%C3%A4lt-die-afghanische-armee-die-taliban-nicht-auf/ar-AANbB8b
(11) ebenda

Nie mehr schweigen, wenn Unrecht geschieht

24. Juli 2021

,

Trauerrede für Esther Bejarano, gehalten von Rolf Becker. Diese Rede wurde am 23.07. 2021 von der UZ veröffentlicht.

Am vergangenen Sonntag nahmen Hunderte Antifaschistinnen und Antifaschisten in Hamburg Abschied von Esther ­Bejarano. Die Überlebende des KZ Auschwitz-Birkenau, Ehrenvorsitzende der VVN-BdA und Vorsitzende des „Auschwitz-Komitees“ starb in der Nacht zum 10. Juli in einem Hamburger Krankenhaus. Sie wurde 96 Jahre alt. Der Schauspieler Rolf Becker (Foto), Freund und Weggefährte, hielt die Trauerrede, die wir auf dieser Seite dokumentieren. (Foto: Martina Lennartz)

„…siehe, wir haben herausgefunden, dass diese Erde groß genug ist; dass sie jedem hinlänglichen Raum bietet, die Hütte seines Glücks darauf zu bauen; dass diese Erde uns alle anständig ernähren kann, wenn wir alle arbeiten und nicht einer auf Kosten des anderen leben will;und dass wir nicht nötig haben, die größere und ärmere Klasse an den Himmel zu verweisen.“

(Heinrich Heine, aus: Die romantische Schule, 1833/1836)

Liebe Edna, lieber Joram, liebe Familie, liebe Freundinnen und Freunde vom Auschwitz-Komitee und von der VVN-BdA, liebe mit uns Abschiednehmende

– mit den zitierten Worten von Heinrich Heine eröffnete Esther vor wenigen Wochen, am 3. Mai, ihr Erinnern an das Ende des 2. Weltkriegs, an ihre Befreiung nach den Leidensjahren in Auschwitz und Ravensbrück, zugleich an unser aller Befreiung von der faschistischen Herrschaft in Deutschland zwischen 1933 und 1945, den dunkelsten Jahren nicht nur deutscher, sondern bisheriger Menschheitsgeschichte.

Abschied von Esther, Eurer Mutter, Groß- und Urgroßmutter, liebevolle, aus Leid geborene Stimme für Euch, für uns alle. Von Wort zu Wort ihr Ja zum Leben: aufgeschlossen trotz allem und für alles – suchend und fragend, wachsam besorgt, prüfend und zweifelnd. Zornig über zunehmendes Unrecht, Verschweigen, Verfälschen und Lügen, über die nicht gezogenen Konsequenzen aus so viel Geschichte. Warnend, dass die Todesgleise von Auschwitz nicht enden, wenn wir untätig bleiben.
Auch wenn sie nicht sprach, nicht sprechen wollte oder nicht sprechen konnte, im Grenzbereich des Nichtsagbaren, Unaussprechlichen – wie vor acht Jahren auf dem jüdischen Friedhof in der Großen Hamburger Straße Berlins, der für sie und mehr als 55.000 jüdische Mitbürger zum Sammelplatz wurde vor dem Abmarsch zum Anhalter Bahnhof und weiter, eingepfercht auf Güterwagen nach Auschwitz. Es brauchte lange, bis sie Christa Spannbauer auf Fragen für deren und Thomas Gonschiors Film „Mut zum Leben“ wieder antworten konnte. Zuvor immer wieder ein Blick auf die angrenzende Schule, in der noch das Klavier ihres ermordeten Onkels steht – der Zugang zu dem vertrauten Instrument war ihr nicht ermöglicht worden.
Esthers Augen, der offene Blick ihrer liebevoll wachsamen Augen – Perspektive, leidvoll gewonnen, widerständig und in Zuversicht weitergegeben, wie mit ihren Liedern, ihrer wunderbaren Stimme: „Mir lebn ejbig – Wir leben trotzdem“.

Es war Esthers Wunsch, dass ich zum Abschied von ihr spreche – einem Abschied, der wie bei allen Menschen, die wir lieben, nicht enden wird. „Liebe – Tod des Todes“ (Claus Bremer). Abschied nach mehr als dreißig Jahren einer Freundschaft, die zur Wahlverwandtschaft wurde. Aus Esthers Brief vom 18. April 2015: „… ich wollte immer einen beschützenden Bruder haben, und so habe ich mir Dich ausgesucht. Wie viele gemeinsame Kämpfe gab es, wie viele gemeinsame Veranstaltungen. Gemeinsam streiten, gemeinsam wirken für Gerechtigkeit, gegen jedwede Ausgrenzung von Menschen, gegen die schlimme Asylpolitik in Deutschland und Europa, gegen Ausländerhass, für Völkerfreiheit, für Völkerverständigung.“

Im Herbst 1989 lernten meine Familie und ich Esther in Ramelsloh/Seevetal kennen, bei Günther Schwarberg, der in jahrelanger Arbeit den Spuren der ermordeten Kinder vom Bullenhuser Damm nachgegangen war und mit seiner Frau Barbara Hüsing die heutige Gedenkstätte durchgesetzt und betreut hatte. Esther, singend und sich auf ihrem Akkordeon begleitend: „Sag nie, du gehst den letzten Weg.“

Von Esther an mich wie uns alle gerichtet, ihr wie testamentarisch Verfügtes: „Nie mehr schweigen, wenn Unrecht geschieht. Seid solidarisch! Helft einander! Achtet auf die Schwächsten! Bleibt mutig. Ich vertraue auf die Jugend, ich vertraue auf euch! Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg!“

Geschwisterlichkeit im weitesten Sinn – Mitmenschlichkeit leben und einfordern, gegen die Überzahl der Widersacher, ohne Rücksicht auf sich. „Weiche nicht“, Jesaja, 4.10, ob in Babylonischer Gefangenschaft, wie vor 2500 Jahren, oder vor heute drohenden Gefahren faschistischer Anläufe, weiterer Kriege und damit verbundenem Schrecken, Elend, Verzweiflung und Tod. Nicht zurückweichen – Esther hat es vorgelebt, unnachgiebig, trotz Wasserwerfern, Stiefeltritten und Denunziation.

„Sagen was ist“ – Auftritte, um Nachkommende aufzuklären über angeblich Vergangenes und zum Handeln zu ermutigen. Auftritte über Auftritte, um darauf hinzuweisen, dass sich bei zunehmendem gesellschaftlichem Druck erneut Unsagbares ereignen kann, auch ohne dass Rauch aus Verbrennungsöfen aufsteigt.

„Sagen was ist“ – im Sinn von Rosa Luxemburg als „revolutionärste Tat“, forderte Esther auch ein, wenn es, ganz gleich aus welchem Anlass, um ihre Person ging. „Nichts verfälschen, nichts beschönigen, nichts unterschlagen“ – das galt für sie auch, als in einer ersten Ausgabe einer Biografie über sie ihre auf Band gesprochenen Berichte verfälscht worden waren: tief verletzt erarbeitete sie mit Antonella Romeo in monatelanger Arbeit eine neue Fassung ihrer „Erinnerungen“, erschienen 2013 im Laika-Verlag.

„Sagen was ist“ – in diesem Sinn auch mein Versuch, mich in dieser Stunde dem anzunähern, wer Esther und was Esther für uns war. So wenig wir sie auf ihr politisches Anliegen reduzieren wollen, so wenig halten wir es für angebracht, ihr umfassendes Engagement für alle Bereiche unseres gesellschaftlichen Lebens zu verleugnen.

Am 11. April 1988 war Esther zusammen mit Hanne Hiob, der Tochter von Bertolt Brecht, im KZ unter der Hochstraße innerhalb des Stahlwerks Salzgitter aufgetreten – Gewerkschaftskollegen hatten mir spontan danach geschrieben, auch über das, was Esther ihnen über sich und die Geschichte ihrer Familie erzählt hatte.

Der Besuch des KZs im Stahlwerk sei für sie ein Anlass gewesen, öffentlich zu hinterfragen, wie es 1933 zur kampflosen Niederlage der Arbeiterbewegung in Deutschland kommen konnte, die dem Faschismus die Machtübernahme ermöglichte – Anlass zugleich für sie, ins Heute zu fragen, wie wir angesichts der europaweit fortscheitenden Rechtsentwicklung die Widersprüche untereinander, die Konfusion und Differenzen zwischen und innerhalb gesellschaftskritischer Gruppierungen und Parteien überwinden. Anlass nicht zuletzt, wieder und wieder zu fordern, Geschichte differenziert zu betrachten, aus Fehlern und Fehleinschätzungen zu lernen, um eine erneute Barbarei wie in Auschwitz und den anderen Vernichtungslagern – in welcher Form und gegen wen auch immer gerichtet – auszuschließen.

„Nie mehr schweigen, wenn Unrecht geschieht“ – aus einem Brief von Esther vom 8. November 2003 zum zweiten Bettlermarsch in Hamburg: „Diese Menschen sind obdachlos geworden, weil sie im Kapitalismus dem Konkurrenzkampf nicht standhalten konnten, weil sie arbeitslos wurden und dann mangels Geld ihre Wohnung gekündigt bekamen und so immer tiefer in den Abgrund gesunken sind. Es ist das System, das unmenschlich, ja menschenverachtend ist. Der Trend geht nach rechts. Wenn dieser Rechtsruck nicht verhindert wird, kann wieder Faschismus mit all seinen schrecklichen Folgen entstehen.“

„Nie mehr schweigen, wenn Unrecht geschieht“ – Esthers Forderung, gegen die unmenschlichen Rückführungsaktionen der Roma nach Serbien und ins Kosovo aufzutreten: „Sie sind wie wir in Auschwitz und anderen Lagern als ‚unwertes Leben‘ vernichtet worden. Und heute abschieben?“

„Nie mehr schweigen, wenn Unrecht geschieht“ – zur Flüchtlingsfrage, als der Hamburger Senat die Aufnahme der Lampedusa-Flüchtlingsgruppe verweigerte: „Wir können doch nicht heute noch immer Menschen wie Tiere behandeln.“ Und zur Begründung der Ablehnung dieser, gemessen an heutigen Flüchtlingszahlen kleinen Gruppe durch die Hansestadt: „Der Senat muss nur wollen.“ Dazu am 21. Mai 2020, anlässlich der beginnenden Corona-Krise, in einem offenen Brief: „Hier, im wohlhabenden, geordneten Stadtstaat Hamburg, werden Probleme drastisch deutlich: es fehlt an sicheren Schlafplätzen für Bedürftige, an ärztlicher Versorgung für Geflüchtete ohne Obdach. Wir fordern: Medizinische Versorgung für alle – für jeden Menschen, ob mit oder ohne Papiere, ohne Ansehen der Person oder des Versichertenstatus. Leerstehende Hotels öffnen! In den Lagern für Geflüchtete an den europäischen Außengrenzen herrschen unmenschliche Zustände. Gerade für die Schwächsten dort und für die Kinder muss dringend gesorgt werden – sofort!“

Esther, am 19. November 2017, erinnernd an die Pogrome von 1992, in einem Brief an die Familien Arslan und Yilmaz in Mölln: „Nazismus und Rassismus wurden in diesem Land auch nach 1945 weder politisch noch gesellschaftlich so konsequent bekämpft, wie er hätte bekämpft werden müssen und können. Er konnte sich auch weiterhin in staatlichen Strukturen festhalten, vor allem im Verfassungsschutz und der Justiz, und ja, sogar noch mehr, er konnte sich wieder ausbreiten.

Um es klar auszusprechen, ohne das Wegschauen und das Decken nach 1945 hätte es das Oktoberfestattentat, Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda, Solingen und Mölln und den NSU so nicht geben können. Es hätten aus den Erfahrungen und Ereignissen des Nationalsozialismus die richtigen Konsequenzen gegen den Hass gezogen werden müssen. Es gab jedoch eine Toleranz gegen Täterinnen und Täter, und Nazis wurden und werden in diesem Land direkt und indirekt, durch politische Kampagnen und das Schweigen und Wegschauen ermutigt, weiter Hass und Leid zu verbreiten. Das ist der rote Faden von damals zu heute.“

„Der rote Faden“ – vergebliches Hoffen, dass er in absehbarer Zeit abreißt – dazu Esther in ihrer vorletzten Rede am 3. Mai dieses Jahres auf dem Gänsemarkt, die sie mit dem Heine-Zitat eingeleitet hatte: „Heute vor 76 Jahren bin ich in dem kleinen mecklenburgischen Städtchen Lübz befreit worden, befreit von den amerikanischen und den sowjetischen Truppen.

Ihr kennt meine Geschichte: Auf dem Marktplatz haben die Soldaten ein Hitlerbild verbrannt, alle haben gefeiert, lagen sich in den Armen – und ich habe dazu Akkordeon gespielt. Mein größter Wunsch für den heutigen Tag war, noch einmal zu erleben, wie Amerikaner und Russen sich wie damals in Lübz umarmen und küssen und gemeinsam das Ende des Krieges feiern! Den FRIEDEN feiern! Jetzt muss ich bis zum nächsten Jahr darauf warten.“

Sätze, die zur Hinterlassenschaft geworden sind wie so vieles, was sie uns vorgelebt hat, unausgesprochener Auftrag, uns jeglichen Kriegsvorbereitungen, jedem Ansatz faschistischer Entwicklung zu widersetzen, „nie mehr zu schweigen, wenn Unrecht geschieht“.

„Nie mehr schweigen, wenn Unrecht geschieht“ – diese Aufforderung bezog Esther auch auf die Unterdrückung, Vertreibung und Ausgrenzung der Palästinenser. Seit dem Tod ihres Schwagers Hans Lebrecht hatte sie kaum noch verlässliche Nachrichten über die politische Entwicklung in Israel und Palästina erhalten. Umso mehr freute sie sich, als sie vor fünf Jahren Moshe Zuckermann auch persönlich kennenlernte. Anlass waren gemeinsame Veranstaltungen in Berlin und Hamburg: „,Losgelöst von allen Wurzeln …‘ Eine Wanderung zwischen den jüdischen Welten“, auf denen sie sich über ihre Geschichte und die ihrer Familien austauschten und übereinstimmend Stellung nahmen zu Ideologie und Wirklichkeit im Israel-Palästina-Konflikt. Aus dem Begleittext der DVD, auf der ihre Gespräche dokumentiert sind: „Esther Bejarano und Moshe Zuckermann, Sohn von Auschwitz-Überlebenden, Historiker und Kunsttheoretiker aus Tel Aviv, vertreten zwei Generationen jüdischer Linker, reflektierten ihre Erfahrungen mit der Welt der jüdischen Diaspora und dem modernen jüdischen Staat, der seit nunmehr 50 Jahren ein brutales Besatzungsregime unterhält. Sie sprachen über ihre Sicht auf das Land der Mörder von Millionen Juden, wo Neofaschisten bis heute weitgehend ungehindert agieren können – und in dem eine mehr als fragwürdige ‚Israel-Solidarität‘ praktiziert wird, die sich immer aggressiver gegen kritische Juden richtet.“

Im Folgejahr, am 10. Juni 2017, sahen Esther und ich uns zu folgendem Brief an Moshe und die Teilnehmenden der Konferenz „50 Jahre israelische Besatzung“, die von Jutta Ditfurths Antideutschen diffamiert und mit dem Transparent „,Palästina‘ Halt’s Maul!“ demonstriert wurde, veranlasst (Palästina auf dem Transparent in Anführungszeichen!):

„Lieber Moshe, ‚Zur Zeit der Verleumder‘ überschrieb Erich Fried vor einem halben Jahrhundert ein Gedicht – nicht ahnend, dass zu den Verleumdern heute Leute gehören könnten, die nicht in der Lage zu sein scheinen, zwischen der Kritik an der israelischen Regierung und der Verteidigung von menschlichen Rechten auf Leben zu unterscheiden, sich darüber hinaus anmaßen, als Deutsche darüber zu entscheiden, wer als Jude zu akzeptieren ist. Dich, lieber Moshe, zitierend: ‚Wer meint, den Antisemitismus bekämpfen zu sollen, vermeide es vor allem, Israel, Judentum und Zionismus, mithin Antisemitismus, Antizionismus und Israel-Kritik wahllos in seinen deutschen Eintopf zu werfen, um es, je nach Lage, opportunistisch zu verkochen und demagogisch einzusetzen.‘ Dir, den mit Dir Referierenden und mit Euch Diskutierenden solidarische Grüße!“

Moshe Zuckermann hat mich gestern gebeten, Euch seinen Abschiedsgruß weiterzureichen: „Ich habe Esther geliebt. War zutiefst berührt von ihrer unerschütterlichen Lebensbejahung, bewunderte die große Leidenschaft ihrer schöpferischen Energie. Aber sie war mir auch Symbol – die Verkörperung der Möglichkeit, persönliches Lebensleid in freiheitliche Hingabe zu übersetzen, tiefe Humanität in politische Praxis umzusetzen.“
„Nichts verfälschen, nichts beschönigen, nichts unterschlagen“ –

Esther war Kommunistin wie Nissim, ihr Mann, neben den wir ihre sterbliche Hülle gleich betten werden, beide Kommunisten nicht als Parteigänger, sondern im Sinn von Heinrich Heine: „Sie ist schon seit langem gerichtet, verurteilt, diese alte Gesellschaft. Möge die Gerechtigkeit ihren Lauf nehmen! Möge sie zerbrochen werden, diese alte Welt, wo die Unschuld zugrunde ging, wo die Selbstsucht gedieh, wo der Mensch vom Menschen ausgebeutet wurde!“

Viel bleibt nachzutragen, wir werden uns im Hinblick auf die vor uns liegenden Aufgaben darüber austauschen.

Trauer über den Tod meiner großen Schwester – zugleich tief empfundene Dankbarkeit für alles, was sie mir und uns war und bleibt. „Presente“ – wie es auf Cuba heißt, wo sie 2017 auf ihrer letzten großen Reise Solidaritätskonzerte gegen den seit 60 Jahren dauernden Boykott des Landes durch die USA gab: „Presente“ – Esther, Du bist und bleibst anwesend, bleibst bei uns.
In Liebe – Dein kleiner Bruder

Abschied von Esther Bejarano

23. Juli 2021

Auch wir nehmen Abschied von unserer Kameradin Esther Bejarano. Ihre Kraft, ihr Mut und ihre Worte werden fehlen! Ehren wir sie, indem wir ihre und unseren Kampf fortsetzen. In ihrem Andenken heißt es für uns auch weiterhin:

Nie wieder Faschismus – Nie wieder Krieg!

Wir veröffentlichen hier die Mitteilung der Familie Bejarano und des Auschwitz – Komitee. Außerdem findet Ihr ein kurze Stellungnahme unsere Hamburger Kameraden und Kameradinnen.

Mitteilung der Familie Bejarano und des Auschwitz-Komitees:

Mir lebn ejbig

Die Nacht war dunkel. Am frühen Morgen des 10. Juli 2021 ist Esther Bejarano
im Alter von 96 Jahren nach kurzer, schwerer Krankheit von uns gegangen.
Sie war nicht allein, ihre Familie und ihre Freundinnen und Freunde waren in den
letzten schweren Tagen bei ihr.

Wir trauern gemeinsam mit ihrer Familie um diese großartige, mutige und
unerschütterliche Frau, Überlebende der Konzentrationslager Auschwitz und
Ravensbrück, Antifaschistin, Vorsitzende des Auschwitz-Komitees und
Ehrenpräsidentin der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes –Bund der
Antifaschistinnen und Antifaschisten, Sängerin, Zeugin der Zeit.
Heute wollen wir innehalten. Und schweigen und trauern.

Um dann Esther Bejaranos Auftrag zu erfüllen:
„Nie mehr schweigen, wenn Unrecht geschieht. Seid solidarisch! Helft einander! Achtet
auf die Schwächsten! Bleibt mutig!. Ich vertraue auf die Jugend, ich vertraue auf euch!
Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg!“

Familie Bejarano
und das
Auschwitz-Komitee in der Bundesrepublik Deutschland e. V.

Liebe Freundinnen und Freunde,

Heute Nacht ist unsere Ehrenpräsidentin Esther Bejarano ruhig und friedlich eingeschlafen.

Wir alle kannten Sie als eine Frau von großer Entschiedenheit und geradezu unglaublichem Elan, die viele von uns noch bis vor kurzem auf der großen Bühne erleben durften. Zuletzt saß sie am 8. Mai auf unserer kleinen Bühne im Hamburger Gängeviertel und erzählte von ihrer Befreiung am 3. Mai 1945 durch Soldaten der Roten Armee und der US-Armee, die kurz nacheinander in der kleinen Stadt Lübsz eintrafen. Dort hatte Esther mit einigen Freundinnen aus dem KZ Ravensbrück Unterschlupf gefunden, nachdem sie gemeinsam dem Todesmarsch entflohen waren.

Wenige Tage zuvor, am 3. Mai, den sie ihren zweiten Geburtstag nannte, hat Esther sich noch mit einer Video-Botschaft zum Tag der Befreiung an uns alle gewendet. Darin bezog sie noch einmal deutlich Stellung zu aktuellen Auseinandersetzungen in der Stadt Hamburg und im ganzen Land. Obwohl sie dabei schon im Rollstuhl saß, waren ihre Worte klar und ihre Stimme kräftig:

https://www.auschwitz-komitee.de/5249/esther-bejarano-wir-sind-da-meine-befreiung-im-mai-1945-und-meine-hoffnungen/

Wir verdanken Esther viel; sie war immer da, wenn wir sie brauchten.

Als 1990 zum ersten Mal ein Bundessprecher:innenkreis gewählt werden sollte und dafür Personen gesucht wurden, die Tradition und „Neuanfang“ verkörperten, stand sie dafür zur Verfügung und wurde eine unserer ersten Bundessprecherinnen in einer Zeit, in der wir der Diffamierung des Antifaschismus als „diskreditiert“ und „überkommen“ entgegentreten mussten. Sie hat einen großen Anteil daran, dass das gelungen ist.

Zum 50. Geburtstag der VVN richtete sie zusammen mit Peter Gingold einen bewegenden „Appell an die Jugend“: 

https://perlavitamovie.files.wordpress.com/2013/08/appell-an-die-jugend-vers-2005-esther-bejarano-und-peter-gingold-doc.pdf

Als im November 2019 das Finanzamt für Körperschaften in Berlin unsere Gemeinnützigkeit bestritt, schritt sie mit ihrem flammenden Appell an Olaf Scholz „Das Haus brennt und Sie sperren die Feuerwehr aus“ ein und verbreiterte die öffentliche Debatte. Damit hat sie wesentlich zu unserem Erfolg in dieser Auseinandersetzung beigetragen.

Nun ist die unermüdliche „Zeitzeugin“ gegen Vergessen des historischen und Verharmlosen des aktuellen Faschismus, Mahnerin und Kämpferin für Menschenrechte, Frieden und eine solidarische Gesellschaft von uns gegangen. Sie wird uns fehlen, vielen von uns auch als verlässliche Freundin.

Wir denken an sie in Dankbarkeit, Trauer und Liebe.

Nehmen wir ihre letzte öffentliche Botschaft als Vermächtnis und arbeiten wir weiter daran, dass der 8. Mai endlich auch in Deutschland ein Feiertag wird, so wie sie es in ihrer Rede am 3. Mai noch einmal vorgetragen hat:

„Ich fordere: Der 8. Mai muss ein Feiertag werden! Ein Tag, an dem die Befreiung der Menschheit vom NS-Regime gefeiert werden kann. Das ist überfällig seit sieben Jahrzehnten. Und hilft vielleicht, endlich zu begreifen, dass der 8. Mai 1945 der Tag der Befreiung war, der Niederschla­gung des NS-Regimes. Am 8. Mai wäre dann Gelegenheit, über die großen Hoffnungen der Menschheit nachzudenken: Über Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – und Schwesterlichkeit.“

VVN-BdA Hamburg

Friedensratschlag zur Bundestagswahl 2021

18. Juni 2021

, , , ,

Weltkriegsgefahren entgegentreten – Abrüstung und Wandel zum Frieden einleiten!

Die Bundestagswahl am 26. September 2021 könnte zu einer Schicksalswahl werden:

Wie wird der neue Bundestag die Weichen für die Außenpolitik stellen? Geht es in Richtung Friedenspolitik, friedliche Koexistenz und Entspannung, oder sollen weiterhin Abermilliarden in die Aufrüstung gesteckt werden, um Russland und neuerdings auch China mit Krieg drohen zu können?

Uns treibt die große Sorge um, dass der Kurs der Konfrontation, der Kriegsvorbereitung und Kriegsandrohung, der Sanktionen und des Strebens nach Umsturz unliebsamer Regierungen massiv fort­gesetzt werden soll.

Angesichts der globalen Herausforderungen für die Menschheit ist eine friedliche und nachhaltige Entwicklung nur durch umfassende internationale Zusammenarbeit möglich. Die globale Aufrüstung muss beendet werden und die Ressourcen stattdessen für eine sozial gerechte, ökologisch und wirtschaftlich vernünftige Gestal­tung der Gesellschaft genutzt werden!

Wir wollen nicht, dass auf Jahrzehnte hinaus die deutsche Luftwaffe mit Atombombern und Kampfjets erneuert wird, die US-Atom­bomben präzise gegen unterirdisch verbunkerte Ziele in Russland lenken können. Das erhöht nicht nur die Spannungen in Europa gewaltig, sondern auch die Gefahr eines Atomkriegs. Die 30 bis 35 Mrd. Euro, die die atomare Aufrüstung zu verschlingen droht, braucht unsere Gesellschaft wahrlich dringender für die Daseinsvorsorge als für die Zerstörung der Zivilisation.

Da die Entscheidung darüber nach der Bundestagswahl 2021 fällt, ist das für uns ein bedeutsames Thema des Wahlkampfs. Von der künftigen Bundesregierung erwarten wir, dass sie den UN-Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnet und vom Bundestag seine Ratifikation. Die in Büchel lagernden US-Atombomben müssen aus Deutschland entfernt werden!

Das neue Waffensystem FCAS (Future Combat Air System oder „System der Systeme“) darf nicht entwickelt werden. Das hunderte Milliarden teure Luftwaffenprojekt soll ab 2040 Tarnkappenbomber mit Atombewaffnung, umgeben von autonom agierenden Drohnen­schwärmen, eingewoben in Künstlicher Intelligenz, beinhalten. Die Regierungen Deutschlands, Frankreichs und Spaniens haben für die Luftfahrtkonzerne Airbus und Dassault in ihren Ländern bereits erste Finanzierungsschritte unternommen. FCAS soll der EU einen militärischen Weltmachtstatus bescheren. Parteien, die FCAS stützen, sind aus ökologischen und auf den Frieden bezogenen Gründen unwählbar.

Ebenso eindeutig sind Parteien für uns unwählbar, die sich nicht klar gegen Killerdrohnen stellen. Bewaffnete Drohnen senken, wie dieses Jahr der Krieg um Bergkarabach zeigte, die Schwelle zum Angriffskrieg. Sie sind Instrumente außergerichtlicher Exekutionen, die USA setzen sie ohne Kriegserklärung ein. Mit diesen Völkerrechtsbrüchen verwischen sie die Grenzen zwischen Krieg und Frieden.

Eine weitere Steigerung der Rüstungsausgaben auf 2% der Wirtschaftsleistung bis 2031, wie sie die amtierende Verteidi­gungsministerin Kramp-Karrenbauer anstrebt, ist nicht hinzunehmen. Es würde eine Verdopplung auf fast 100 Mrd. Euro jährlich bedeuten. Das Geld würde bei der notwendigen sozial-ökologischen Transformation der Gesellschaft fehlen, u.a. in der Klima­krisenbekämpfung, bei der Sozialpolitik, bei Bildung und Kultur, im Gesundheitswesen, in der Rüstungskonversion.

Die Bundestagswahl 2021 stellt Weichen für Entscheidungen von existenzieller Reichweite.

Wir fordern für die zukünftige Regierungspolitik entschiedene Schritte zur Abrüstung und zur Konversion der Rüstungsindustrie in eine Friedensindustrie – Abrüstung, Vertrauensbildung und Diplo-matie auf Augenhöhe sind das Gebot der Stunde!

Kann man den Frieden wählen? Nein, aber man kann selbst aktiv werden und den friedenspolitischen Druck auf die Straße, in die Gewerkschaften, in die Kirchen und auch in die politischen Parteien hineintragen. Und die Parteien und Politiker*innen befragen, inwieweit sie die hier formulierten friedenspolitischen Grundsätze mittragen.

Wir werden keine Partei und keine Kandidat*innen wählen, die Aufrüstung und Auslandseinsätzen zustimmen!

Beteiligt Euch an den vielfältigen Aktivitäten der Friedensbewegung in der kommenden Zeit:

Aktionswoche zum 80sten Jahrestag des Überfalls Nazideutschland auf die Sowjetunion 19.-26. Juni von „Abrüsten statt Aufrüsten“: https://abruesten.jetzt

„Frieden in Bewegung“ – Wanderung der Naturfreunde durch Deutschland bis 4. Juli: https://www.frieden-in-bewegung.de/

Aktionswoche „Stopp Ramstein“ 4.-11. Juli: https://www.ramstein-kampagne.eu/

Menschenketten-Reaktion gegen Atomwaffen am 5. September in Büchel: http://www.atomwaffenfrei.de

Sowie Veranstaltungen zum Hiroshimatag und Antikriegstag vor Ort: https://www.friedenskooperative.de/themen/atomwaffen

Dezentrale Aktionswochen im September – beginnend am
Anti­kriegstag, den 1.9.2021
4.9. Friedensdemonstration in Essen gegen die Nato-Strategiekonferenz: http://no-natom-krieg.de/

Weitere Aktionen der Friedensbewegung, Wahlprüfsteine und Wahlprogramme der Parteien: https://friedensratschlag.de/aktivitaeten-und-bewegungen/aktuelle-termine/

https://www.friedenskooperative.de/bundestagswahlen2021

V.i.S.d.P.:
Bundesausschuss Friedensratschlag, Germaniastr. 14, 34110 Kassel
Spendenkonto des Friedensratschlages:
IBAN: DE77 5205 0353 0217 0012 32 – BIC: HELADEF1KAS

Gedenkveranstaltung am Gedenkstein für Zwangsarbeiter in Schwarzenbek

18. Juni 2021

, , , ,

Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten,
Liebe Freundinnen und Freunde,

am 22. Juni 2021 jährt sich der Jahrestag des Überfalls Deutschlands auf die UdSSR zum 80. Mal. Wir wollen an diesem Tag jenem Ereignis gedenken.

Am 11. Mai 2021 wurde auf dem neuen Friedhof in Schwarzenbek ein Gedenkstein für die Zwangsarbeiter:innen während der Zeit des Faschismus eingeweiht. In vier Lagern wurden über 2.000 Zwangsarbeiter:innen unter unmenschlichen Bedingungen eingesperrt und zur Arbeit gezwungen.

Hier wollen wir zwei Fäden zusammenknüpfen: denn ohne den räuberischen Eroberungskrieg des Deutschen Reiches hätte es diese mörderische Zwangsarbeit nicht gegeben.

Am 22. Juni 1941 überfielen die Armeen Hitlerdeutschlands und ihrer Verbündeten die Sowjetunion. Damit begann das letzte Kapitel der Aggression des deutschen Faschismus gegen die Menschen Europas und darüber hinaus. Dieser Vernichtungskrieg brachte unendliches Leid über die Menschen und forderte mehr als 27 Millionen Opfer aus allen Teilen der Sowjetunion. Es liegt in der Verantwortung heutiger Generationen, dass niemand diese Gräueltaten je vergessen oder relativieren darf.

Wir weisen euch hiermit auf die Gedenkveranstaltung am 22. Juni 2021 in Schwarzenbek hin. Bedingt durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie und dem Friedhof als stillem Ort, findet die Veranstaltung in kleinem Rahmen statt.

Hinweise in eigener Sache:

  • Antifaschistische Arbeit ist wichtig und notwendig aber leider noch auf zu wenigen Schultern verteilt. Darum schützen wir uns und andere und halten die üblichen Hygieneregeln während der Veranstaltung und auf der An- und Abreise ein.
  • Die Veranstalter behalten sich vor, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und Personen, die rechtsextremen Parteien oder Organisationen angehören, der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind ober bereits in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige Menschen verachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind, den Zutritt zur Veranstaltung zu verwehren oder von dieser auszuschließen.
  • Die Veranstalter werden zum Zwecke der eigenen Öffentlichkeitsarbeit Aufnahmen von der Gedenkveranstaltung machen. Eine namentliche Nennung von Personen, die als Besucher an der Veranstaltung teilnehmen, erfolgt nicht. Eine Zuordnung zu den Aufnahmen ist damit nicht möglich. Wenn ihr nicht damit einverstanden seid, dass Aufnahmen mit euch gemacht werden, so wendet euch bitte vor Veranstaltungsbeginn an uns, damit wir euren Wunsch von Anfang an berücksichtigen können. Gruppenaufnahmen sind hiervon ausgenommen.

Text & Bild: A. Flindt

Ältere Nachrichten · Neuere Nachrichten